EMIGRANTE
Emi(l) ist ein dunkelbrauner, etwa 1.55 m großer Cruzado-Wallach, der den typischen "Andalusier" des athletischeren Typs verkörpert. Er wurde 2009 geboren. Vermutlich das schönste meiner Pferde, aber auch nicht ganz einfach zu reiten. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Meinung in so ein kleines Pferd passt! Und meistens hat er auch noch Recht ...
EMIGRANTE ALS LEHRPFERD
Emi ist ganz anders als Luar - er muss niemandem gefallen. Er ist sich seiner selbst, seines Körpers und seines Könnens in jedem Moment voll bewusst (und das mit Abstand ausbalancierteste Pferd, das ich kenne), und er erwartet vom Reiter, dass der dem in nichts nachsteht. Er ist ein Arbeitstier: Das mühsame Feilen an Details in Lektionen ist nicht seins. Er fordert vom Menschen, dass der ihm präzise den Job benennt und ihn dann in Ruhe lässt - und der Job darf gerne schnell, anspruchsvoll und anstrengend sein, nur bitte nie langweilig!
Damit ist er das perfekte Lehrpferd, um die wahre Bedeutung der Impuls-Hilfen kennen zu lernen und die Wichtigkeit des "Sinkenlassens der Hilfen" (descente de main et de jambes). Er lehrt, wie reaktiv ein ausbalanciertes Pferd ist und wie wichtig schon die Klarheit der Gedanken vor der Lektion ist - denn diese Gedanken liest er. Wer gelernt hat, ihn nicht zu stören, darf sich darauf freuen, dass Emigrante seine ganze Eleganz und Energie für den Reiter zum Einsatz bringt.
Emigrante beherrscht die Arbeit mit der Garrocha, alle Lektionen der klass. Handarbeit und unter dem Sattel alle Seitengänge, Lektionen der Doma Vaquera und die Anfänge der Galopppirouette.
EMIGRANTES VORGESCHICHTE
Emigrantes Vorgeschichte ist so unbekannt wie die von Luar; beide stammen aus derselben "Einkaufsfahrt" durch Spanien und wurden beim selben Händler angeboten.
Emigrante war neun Jahre alt und wurde, vermute ich, auf Ferias gezeigt: Er war mager, mit Serretanarben, sehr ängstlich, und beherrschte unter dem Sattel nur Spanischen Schritt, Steigen auf Kommando und eine Spannungs-Passage. Vor dem Gebiss hatte er ebenso viel Angst wie vor dem Schenkel, und selbst wenn der Zügel durchhing, behielt er seine enge Beizäumung bei.
EMIGRANTE IN DER FEINEN REITEREI
Emi musste völlig neu gestartet werden; auf das Gebiss reagiert er bis heute mit hektischem Zähneklappern. Aber das ist gleichgülitg, denn er geht auf Cavemore oder Bosal so fein, dass man keine Sekunde ein Gebiss vermisst.
Bei Emigrante lautete der Weg einfach nur: Ruhe, Ruhe, Ruhe reinbringen ... er musste vor allem lernen, dass man unter dem Sattel auch entspannen darf und wie das Laufen mit entspanntem Hals gelingt. Dabei war seine Ausbildung immer eine Gradwanderung: Zu viel gefordert, wurde er nervös und ließ sich für diesen Tag auch nicht mehr beruhigen; zu langweilig gearbeitet oder seinen rüpelhaften Anwandlungen keine Grenzen gesetzt, tanzte er einem nur noch auf der Nase herum.
Bis heute ist er kein Pferd für jedermann. Mit harten Hilfen kommt er so wenig zurecht wie mit sich immer wieder widersprechenden Hilfen. Dabei bleibt er stets korrekt und freundlich und würde nie seinen Reiter gefährden. Aber Bescheid sagen, wenn der da oben nicht reiten kann, muss man halt dann doch!
Fotos: 1 + 3 - privat; 2 + 4 - We Love Horses Photography